Nachhilfe-Stunden für einen Adligen - Der schlesische Schriftsteller und Heimatdichter Paul Petras

Die Oder bei Grünberg / Schlesien
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Dr. Paul Petras
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Nachhilfe-Stunden für einen Adligen

Leben

Paul wird Sommer-Hauslehrer auf Schloss Günthersdorf (1880)

Schloss Günthersdorf (Sammlung Duncker)
Ende Juni 1880 wird der Oberprimaner Paul Petras vom Pastor Wasa Gössel nach Günthersdorf bestellt, der eine besondere Nachhilfe-Aufgabe für ihn hat: Paul soll dem jungen Herrn Anton von Kamptz, der zu Gast auf Schloss Günthersdorf weilt, als Ferien-Hauslehrer auf die Sprünge helfen.
Denn von Kamptz, Spross einer preußischen Adelsfamilie, die einige erfolgreiche preußische Offiziere hervorgebracht hat, will ebenfalls die Offizierslaufbahn ergreifen und Leutnant werden. Allerdings hat er dazu die schulischen Voraussetzungen noch nicht geschafft. Ohne das "Primanergenügend" wird er nicht zum Fähnrich-Examen zugelassen. Von Kamptz schwächelt vor allem in Mathematik und Geschichte!
 
Paul soll gleich zu Beginn der Sommerferien nach Günthersdorf kommen, wo er am 11. Juli nach einem zweistündigen Fußmarsch - Günthersdorf ist etwas 12 Kilometer von Grünberg entfernt - das Pfarrhaus und sein neues Tätigkeitsfeld erreicht. Er trifft sich noch am selben Tag mit seinem Schüler in einem Nebengebäude des Schlosses, dessen Besitzer kein geringerer als der preußische Staats- und Landwirtschaftsminister Karl Rudolf Friedenthal ist. Dessen Familie und ihre Gäste genießen in dem klassizistischen Landschloss die Sommerfrische.                
 
Das "Stundengeben" in den folgenden Wochen erweist sich jedoch für Paul als oft recht mühsam und "schauderhaft": "Herr Kamptz schläft meist" und liebt "ausgiebiges Frühstücken". Der Unterrichtsplan wird noch um Geographie erweitert, auch das Englisch des jungen Adligen muss sich noch deutlich verbessern. Vor allem an der Aussprache muss der junge Herr v. K. noch arbeiten. Sie klingt in etwa so: "Do you schpieken English", notiert Paul etwas süffisant in seinem Tagebuch. Mehr Mühe macht sich der blaublütige Spross dagegen bei der Jagd: V. K. ist lieber in den Oderwäldern unterwegs, schießt Birkhuhn, Krammetvögel oder Kaninchen.
 
Auch sommerliche Feste im und ums Schloss gehören zum Repertoire des trinkfreudigen Herrn v. K. Natürlich ist auch Paul dazu eingeladen. Bei einem Treffen an einem warmen Sommerabend im Schlosspark mit den Ministertöchtern Elsbeth und Renate Friedenthal sowie mit deren Freundinnen Harras von Harrassowska und Rosenberg ist auch von Kamptz mit von der Partie. "Sie machen wohl Mondscheingedichte?" schwärmt Elsbeth den jungen Herrn v. K. an - und dieser nickt, während sie den Glühwürmchen zuschauen.
 
Da Pastor Gössel mit den Lernerfolgen des Herrn v. K. offenbar nicht zufrieden ist, bittet er Paul um Verlängerung des Stundengebens. Am 28. Juli ist schließlich letzter Unterrichtstag. Pauls Salär beträgt 31 Mark und Anton von Kamptz begleitet Paul zurück nach Grünberg. Gymnasial-Direktor Hermann Fritsche erkundigt sich bei Paul über seine "Lehrtätigkeit" und moniert jedoch "die geringe Honorarforderung in Günthersdorf"... Dafür aber besteht einige Wochen später der junge Herr von Kamptz das Fähnrich-Examen.
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