Zielona Góras junge Weintradition - Der schlesische Schriftsteller und Heimatdichter Paul Petras

Die Oder bei Grünberg / Schlesien
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Dr. Paul Petras
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Zielona Góras junge Weintradition

Grünberg
Die Wiedergeburt der Weinkultur
Das Weinzentrum an der Lebuser Wein- und Honigstraße in Zabór (Saabor) bei Zielona Góra.
Foto: P. Pieńkowski

Die klassische Weintradition von Grünberg verging mit dem Kriegsende 1945. Das idyllische Bild der Rebenhänge und der blühenden Obstbäume rings um die einstige Weinmetropole des Ostens verschwand. Die Weinberge auf den Hügeln von Zielona Góra, wie die Stadt fortan hieß, waren weitgehend verlassen oder aufgegeben und wurden für den Bau von Wohnungen gebraucht – Plattenbauten, die bis heute im Hintergrund der Stadt zu sehen sind. Der letzte Weinberg fiel 1976 dieser Entwicklung zum Opfer.
 
Das Ende der Ära Grempler
Die einst größte deutschen Sektkellerei Grempler & Co. im Herzen der Stadt wurde von der polnischen Verwaltung übernommen und verstaatlicht. 1946 entstand in der Kellerei der Staatsbetrieb „Państwowa Wytwórnia Win Musujących ‚Grempler‘ w Zielonej Górze“ (Staatlicher Produktionsbetrieb von Schaumwein „Grempler“ in Zielona Góra), der dank einiger nicht vertriebener deutscher Facharbeiter und ihrem Knowhow die Sektproduktion fortführen konnte. Das Produkt hieß „Polnischer Schaumwein“ und konnte bis 1947 mit restlichen Grempler-Weinbeständen (ca. 500.000 Liter) und mit importierten französischen Grundweinen hergestellt werden. Danach konzentrierte man sich mehr auf die Erzeugung von Obstweinen. Die weiterhin bestehende Traubenweinproduktion wurde vorwiegend mit Traubenimporten aus Ungarn und Bulgarien und kleinen Traubenmengen aus eigenen Weingärten und aus der Region bedient. 1950 wurde der Name der Lebuser Weinfabrik konsequent in „Państwowa Lubuska Wytwórnia Win w Zielonej Górze“ (Staatlicher Lebuser Weinproduktionsbetrieb in Zielona Góra) geändert, die Ära Grempler war damit endgültig besiegelt.
 
In den 1960er und 1970er Jahren vermeldete der Staatsbetrieb stolze Exporterfolge über die sozialistischen Bruderländer hinaus. Sogar Australien, die Jungferninseln, Japan und die Vereinigten Staaten standen auf den Ausfuhrlisten. 1999 allerdings ging das Werk in Konkurs und wurde liquidiert. Seitdem wird in Zielona Góra kein Wein mehr in industriellem Maßstab hergestellt.

Neubeginn mit Umsiedlern aus Ostpolen
Die Anknüpfung an die frühere handwerkliche Weintradition begann allmählich in den 1970er Jahren im Libuser Land, deren Mittelpunkt Zielona Góra ist. Einige umgesiedelte Pioniere aus Ostpolen ließen den Weinbau im kleinen Rahmen wieder aufleben. Vielfach als Hobby. Denn die Weingärten erreichten oft nur eine durchschnittliche Größe von drei bis vier Hektar. Mitte der 1990er Jahre begannen sich Winzer kleiner und größerer Anlagen, aber auch Kleingärtner, die wieder Gefallen am Weinbau fanden, in Vereinen zusammenzuschließen. Heute gibt es in Zielona Góra drei derartige Vereine: den Zielonogórskie Stowarzyszenie Winiarskie (Weinverein Zielona Góra), den Stowarzyszenie Wspólnota Kulturowa Winnice Lubuskie (Kulturgemeinschaftsverein Lebuser Weinberge) und den Stowarzyszenie Promocji Winnic i Produktów Regionalnych (Verein zur Förderung der Weinberge und der regionalen Produkte).

Weingott Bacchus beim alljährlichen Weinfest - der Wienobranie - in Zielona Góra
Foto:
Bild Archiv LOTUR

Die Winobranie für die weinkulturelle Rückbesinnung
Mit der Rückbesinnung auf die alte Grünberger Weintradition fand auch das einstige alljährliche Weinfest wieder Eingang in das kulturelle Gedächtnis der Stadt: Schon 1852 hatte der seinerzeitige Magistrat die jährliche Feier der Weinlese in den städtischen Veranstaltungskalender aufgenommen und damit einen attraktiven, regelrecht touristischen Höhepunkt im Weinjahr geschaffen. 1945 fand so etwas wie der Vorläufer der heutigen „Winobranie“ in Zielona Góra statt: Damals ging mit behördlicher Unterstützung ein so genanntes Weinfest über die Bühne, das aber eher ein allgemeines Erntedankfest war, veranstaltet von Amateuren, Pionieren und Aktivisten verschiedener Jugendorganisationen. Die Winobranie in den Folgejahren wurde von offizieller Seite trotz fehlender Weinwirtschaft als wichtige Kulturveranstaltung zur Belebung vor allem der polnischen Land- und Weingeschichte im Bewusstsein der Bevölkerung gefördert.
 
Heute ist die Winobranie das größte nunmehr traditionsreiche Weinfest Polens. Auch dank der Wiederbelebung des Weinbaus im Lebuser Land und aufgrund der zahlreichen kulturellen Aktivitäten von Zielona Góra und den Verbänden zum Thema Wein reisen alljährlich Touristen aus Polen und aller Welt an, um mit den Einwohnern der Stadt mehrere Tage lang zu feiern. In diesen Festtagen Anfang September übernimmt Bacchus, der Gott des Weines, persönlich die Herrschaft über die Stadt und veranstaltet ein buntes Fest mit Jahrmarkt, mehreren Bühnen für Theater und Konzerte, Kunsthandwerk und zahlreichen Weinprobierständen. Direkt am Rathaus können vor allem lokale Weine degustiert werden. Am Ende des Festes folgt ein fast karnevalistischer Umzug des Weingotts. Neben einem offiziellen Weinplakat gibt es auch einen Wettbewerb der Amateur-Winzer, die dabei einen offiziellen Winobranie-Wein kreieren.
Doch dies ist nicht die einzige Veranstaltung in und um Zielona Góra zur Popularisierung des polnischen Weins. So engagieren sich Vereine und Stadt u.a. beim „Zielona Góraer Weinmarkt“, beim „Weinforum“ oder beim „Winzerball“. Auch die Stiftung „Pro Gloria Monte Verde“ trägt zur Förderung des Weinbaus und der Weinwirtschaft bei.

Die Lebuser Wein- und Honigstraße
Besondere Aufmerksamkeit bei Tourismus und Medien genießt seit 2008 die Lebuser Wein- und Honigstraße, die Weinberge und Weingärten, Imkereien, Museen und Hotels miteinander verbindet. Die ersten Rebstöcke wurde 2013 bei Zabór (Saabor) angepflanzt, die Grundlage für das genossenschaftliche Weinzentrum der Lebuser Wein- und Honigstraße. Dies entstand dank der Zusammenarbeit der lokalen Bezirksregierung der Woiwodschaft Lubuskie, der Lebuser Winzer, der Staatlichen Höheren Berufsfachschule in Sulechów und vieler Vereine. Der Weinberg bei Zabor ist in 12 Teile aufgeteilt, die von Lebuser Winzern bewirtschaftet werden. 2015 wurde auf dem Weingut das Lubuskie Winemaking Center eröffnet.
 
Der "Weinpark" in Zielona Góra mit dem Palmenhaus und dem ehemaligen Gremplerschen Winzerhaus

Die Lebuser Wein- und Honigstraße vereint insgesamt rund drei Dutzend Weingüter, auf denen nicht nur Weine angeboten und verkauft werden, sondern auch Besucher sehr willkommen sind zu Führungen, Veranstaltungen und Weinausschank. Ausgangspunkt wiederum ist die „Weinhauptstadt Polens“, Zielona Góra, mit dem mit Reben rekultivierten Ziegelberg, dem „Weinpark“ mitten in der Stadt. Er gehörte einst der Grempler Sektkellerei. Das ehemalige Gremplersche Winzerhaus wurde in das auf der Bergkuppe entstandene Palmenhaus integriert. Ebenfalls in der Weintradition von Zielona Góra steht das einzige Weinmuseum Polens - im Museum des Lebuser Landes - mit zahlreichen Dokumenten zur Geschichte des Weinbaus und historischer Gerätschaft. Am Rande der Stadt liegt das Freilichtmuseum Ochla, wo ein historischer Weinturm besichtigt werden kann. Dieser beispielhafte Turm diente den Winzern früher an und auf den Weinbergen zur Beobachtung der Rebfelder und zum Schutz vor gefiederten und zweibeinigen Traubendieben…

Der historische Weinturm im Freilichtmuseum Ochla  
Foto: Visit Zielona Gora  

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